Teilrevision schiesst am Ziel vorbei

Die Teilrevision des Sozialhilfegesetzes bringt keine Verbesserungen. Der Langzeitabzug ist nicht vertretbar, die Wirkung der Anreize ist fraglich, der Verwaltungsaufwand steigt deutlich und der Alleingang des Kantons führt zu Rechtsunsicherheit. Ein zivilgesellschaftliches Komitee aus rund 20 Organisationen setzt sich deshalb für ein NEIN zum Sozialhilfegesetz am 15. Mai 2022 ein.

Das zivilgesellschaftliche Komitee NEIN zum Sozialhilfegesetz hat heute in Liestal seine Kampagne für die Abstimmung vom 15. Mai 2022 lanciert. Das Komitee, das vom Bündnis VERKEHRT ins Leben gerufen wurde, wird von regionalen Organisationen wie Caritas beider Basel, der Heilsarmee Basel, dem Pastoralen Zentrum der katholischen Kirche Baselland oder AvenirSocial Nordwestschweiz getragen.

Langzeitabzug ist menschlich nicht vertretbar

Das Komitee stört sich besonders am Langzeitabzug, der nach zwei Jahren zur Anwendung kommen soll. Eine Senkung der Leistungen ist aus menschlicher Sicht nicht vertretbar, denn der Grundbedarf liegt bereits heute schon unter dem Existenzminimum.

Die zahlreichen Ausnahmeregelungen beim Langzeitabzug machen das System deutlich aufwändiger. Es liegt nahe, dass am Ende mehr Ausnahmen als Regelfälle resultieren werden. «Die Regelung mit den Langzeitabzügen absurd, denn ein Gesetz sollte für den Normalfall gemacht sein. Die Ausnahmen sollten das sein, was der Name sagt: Ausnahmen», kritisiert Andrea Wüthrich, Sozialarbeiterin FH und Vertreterin vom Forum Kritische Sozialarbeit (Kriso).

Sogar verschlechtert wird die Situation für Kinder und Jugendliche, die einen Drittel aller Leistungsbezüger*innen ausmachen. Wenn die Eltern einen Abzug erhalten, wirkt sich das direkt auf das gesamte Familienbudget aus – und das betrifft die Kinder und Jugendlichen unmittelbar, auch wenn sie selbst unter die Ausnahmen fallen. Die Stärkung des Kindeswohles, wie es die Regierung zum Ziel gesetzt hat, kann so nicht erreicht werden.

Anreize, Zuschüsse und Assessmentcenter schaffen mehr Bürokratie

Das Komitee zweifelt auch an der Wirkung neuen Zuschüssen, der Stärkung von «Anreizen» und dem Nutzen des Assessmentcenters. Zum einen haben wissenschaftliche Studien ergeben, dass Anreize im Sozialhilferecht gar schädlich sein können. Zum anderen hat der Regierungsrat im Jahr 2014 selbst den Motivationszuschuss, den er nun wieder einführen will, gestrichen, weil die erwünschte Wirkung ausgeblieben ist.

Nicht zuletzt ist die Arbeitsmarktintegration weniger von Anreizen als von den Angeboten auf dem Arbeitsmarkt abhängig, die weder mit einem Anreizsystem noch mit dem geplanten Assessmentcenter beeinflusst werden können. Von den arbeitsfähigen Personen arbeiten schon heute mehr als die Hälfte – allerdings verdienen sie nicht genug, um damit aus der Armut zu entkommen.

Fest steht, dass alle diese Massnahmen einen deutlichen Mehraufwand generieren, was zu einer Kostensteigerung führen wird. Die finanziellen Mittel fliessen jedoch nicht zu Betroffenen, sondern in einen aufgeblähten Verwaltungsapparat.

Alleingang führt zu Rechtsunsicherheit

Mit der vorgeschlagenen Sonderlösung betritt der Kanton Basel-Landschaft unsicheren Boden. «Der Alleingang ergibt keinen Sinn, weil er den Bemühungen entgegenläuft, eine Harmonisierung der Sozialhilfe unter den Kantonen herzustellen», erklärt Domenico Sposato, Geschäftsleiter Caritas beider Basel. «Stattdessen schafft der Kanton neue Begrifflichkeiten, die sich erst einmal etablieren müssen.»

Da es noch an Rechtssprechung fehlt, führt dies zu Rechtsunsicherheit. Dies gilt auch für den Abzug beim Grundbedarf, der juristische auf lange Sicht kaum haltbar ist, weil er schon heute unter dem Existenzminimum liegt.

Gesamtpaket verspricht keine Besserung

Die Teilrevision verspricht als Ganzes keine Besserung der Situation für die Betroffenen, da die Problematik der Langzeitbetroffenen nicht verstanden und damit auch nicht gelöst wird.

«Wir müssen das Bild von den Menschen, die von der Sozialhilfe unterstützt werden, revidieren», so Verena Gauthier, Fachverantwortliche Diakonie des Pastoralen Zentrums der katholischen Kirche Baselland. «Es sind keine Sozialschmarotzer, die in der Hängematte liegen. Es sind Lebenskünster*innen, die mit so wenig auskommen müssen, wie es sich die meisten Einwohner*innen im Kanton gar nicht vorstellen können.»